BUCHBESPRECHUNGEN
im Jahr 1997
(Abb.: N. N.)
Rezensionen von Martin Banger
„Als das Jahrhundert jung war“
von Dieter Franck
Die ersten Jahrzehnte unseres Jahrhunderts revolutionierten unser Leben: Wilhelm Conrad Röntgen, Louis Pasteur und Robert Koch begründeten die moderne Medizin, Albert Einstein das neue Weltbild der Physik, Siegmund Freud entdeckte das Unbewusste, Thomas Alva Edison erfand die Glühbime, Carl Benz und Gottlieb Daimler das Auto. Und 0tto Lilienthai und die Brüder Wright verwirklichten den alten Traum des Menschen vom Fliegen. Die wissenschaftlichen, technischen und politischen Umbrüche zu jener Zeit, als das Jahrhundert jung war, veränderten das Antlitz dieser Welt. Zwar wurde der größte Teil des Globus noch von Kaisern und Königen beherrscht, doch der durch die Industrialisierung entstandene Mittelstand und ein unruhiger werdendes Proletariat setzten die alte Klassengesellschaft unter Druck. Verarmte Bauern strömten in die wuchernden Städte, Millionen von Menschen suchten in der neuen Welt ihr Glück. Frauen kämpften mit Hungerstreiks und Demonstrationen für politische Gleichberechtigung und Stimmrecht.
Dieter Franck führt den Leser auf eine spannende Reise zu den Anfängen unseres Jahr hunderts. Eine Fülle von eindrucksvollen Bild – und Textdokumenten unterstützt ihn dabei.
Dieter Franck: Als das Jahrhundert jung war.
Rowohlt, 224 Seiten, ca. 15O Abbildungen, 32,00 DM.
„Auf der Suche nach Schrödinger's Katze“
von John Gribbin
Quantenphysik und Wirklichkeit
Die Quantenphysik gilt als eine der größten geistigen Leistungen unseres Jahrhunderts. Ohne Quantenphysik wären weder die Wirkungsweise des Lasers noch die des Computers erklärbar. Die gesamte moderne Naturwissenschaft steht auf der Grundlage der Quantenphysik.
John Gribbin erzählt in seinem Buch ihre Geschichte von den Anfängen der Atomtheorie im 19. Jahrhundert bis zur gegenwärtigen Forschung. Er stellt die Physiker vor, die an der Erforschung des Atoms beteiligt waren und dokumentiert die Entwicklung des modernen physikalischen Weltbildes. Besonders auf Quantenphänomene, die in völligem Widerspruch zu unserer Alltagswahrnehmung stehen, geht er ausführlich ein. Ob Unschärferelation, Supraleiter oder getwistete Raumzeit – der Autor versteht es, komplexe Sachverhalte anschaulich und mit nur einem Minimum an Fachbe griffen zu vermitteln.
John Gribbin studierte Physik in Sussex und Cambridge und schrieb für „Nature“ und die Wissenschaftsseite der „Times“.
John Gribbin: Auf der Suche nach Schrödinger's Katze.
Piper, 325 Seiten, 19,90 DM.
„Das Buch der Kerle“
von Garrison Keillor
Die Männer in Keillor's Geschichten geben sich Mühe, sensibel und monogam zu sein, lernen, Salat zu schleudern und ganz offen über Probleme, Gefühle und Betroffenheit zu diskutieren. Kurz, sie tun alles, um Frauen glücklich zu machen, aber sie wissen: Nützen wird ihnen das alles nichts. Geschichten vom Scheitern, von gebrochenen Herzen und von den Absurditäten des Lebens. Geschichten, in denen Männer sich wiederfinden. Im Buch der Kerle treffen wir auf einen idealen Ehemann, der seinem Ärger auf unheimliche Weise Luft macht, auf Gott Dionysos, der Alkoholprobleme hat und auf einen einsamen Cowboy, der von einer Eigentumswohnung mit spießigen Gardinen träumt. Sie gehören der Mittelklasse an, sind mittleren Alters und fühlen sich mickrig. Ob in der Männerbewegung, in der Midlife-Crisis oder in der Prärie, ob als Schriftsteller, als Gott oder als Maus: Echte Kerle finden überall eine Gelegenheit, sich der Herausforderung zu stellen.
20 geistreiche und köstlich amüsante Stories um den gescheiterten Mann.
Garrison Keillor: Das Buch der Kerle.
Verlag Zsolnay, 344 Seiten, 39,80 DM.
„Der Club der Patchwork-Frauen“
von Sandra Dallas
Kansas in den 30er Jahren. Die wirtschaftlichen Zeiten sind alles andere als rosig. Die Frauen von Harveyville lassen sich jedoch nicht verdrießen. Der wöchentliche Patchwork-Club bringt Leben in ihre n ein tönigen Alltag. Natürlich geht es nicht nur um das gemeinsame Herstellen von aufwendigen Patchwork-Decken; hier werden auch Neuigkeiten ausgetauscht, Probleme besprochen, Ratschläge erteilt, es wird gelästert und gelacht. Nur Rita, die ‚Neue‘ aus der Stadt, kann sich mit den Handarbeiten nicht anfreunden. Um so interessierter ist sie an der Aufklärung des Mordes, der an dem Ehemann einer der Patchwork-Frauen begangen wurde. Als sie ihren Freundinnen den Mörder schließlich triumphierend präsentieren will, erlebt sie eine ungeahnte Überraschung.
Ein witziger, oft ans Herz gehender Roman, voller skurriler Charaktere und einem unvorhersehbaren Ende.
Sandra Dallas: Der Club der Patchwork-Frauen.
Heyne, 271 Seiten, 38,00 DM.
„Der Kammgarnkiller“
von Hansjörg Martin
Textilvertreter Voigt hat seine Arbeit gründlich satt. Selbst der kleinste Ladenbesitzer behandelt ihn von oben herab; als eine Kundin als Vertragsbestätigung Liebesdienste von ihm fordert, versagt er kläglich. Eine unbedachte Bemerkung Voigts bringt Ladenbesitzer und Stadtrat Zylian so aus der Fassung, dass dieser Voigt ohrfeigt. In diesem Augenblick rastet Voigt aus. Ohne es zu ahnen, stolpert er damit in einen Mordfall, in dem er plötzlich als Hauptverdächtiger gesucht wird. Ernst Voigts bis dahin langweiliges Leben wird von einem Tag auf den anderen auf den Kopf gestellt.
Ein Krimi mit deutscher Kleinstadt-Atmosphäre, glaubhaft, düster und direkt aus dem Leben gegriffen.
Hansjörg Martin: Der Kammgarnkiller.
Heyne, 189 Seiten, 14,90 DM.
„Die Safranhändlerin“
von Helga Glaesener
Trier im Jahre 1327. Die junge und schöne Marcella Bonifaz handelt mit Buchfarben, Salben und Parfüm. Ihre große Chance kommt, als man ihr toskanischen Safran zu einem sensationellen Preis anbietet. Doch der Handelszug mit der kostbaren Ware wird überfallen. Als man den Mann, der dafür verantwortlich sein soll, gefangennimmt, beginnt Marcella ein waghalsiges Unternehmen, um ihren Safran zurückzuerobern. Doch dann überstürzen sich die Ereignisse. Marcella's Weg führt auf die Burg der Gräfin von Sponheim, die mit dem Erzbischof von Trier in Fehde liegt. Die Entführung des Würdenträgers kompli ziert die Lage, zumal die kostbare Geisel bald das Opfer merkwürdiger Anschläge wird, die – unbegreiflicherweise – alle mit der Safranhändlerin zu tun zu haben scheinen.
Dieser mit Witz und Charme geschriebene Roman gibt auffaszinierende Weise Einblick in das mittelalterliche Stadt- und Landleben zur Zeit des aufblühenden internationalen Handelswesens. Ein spann endes Lesevergnügen mit einer dickköpfigen Heidin, die sich von einer von rauhen Männern dominierten Welt nicht unterkriegen lässt.
Helga Glaesener: Die Safranhändlerin.
List, 420 Seiten, 39,80 DM.
„Gefallene Männer“
von Walter Wolter
Wolter's Männer fallen buchstäblich und moralisch, tief oder weniger tief, hart und selten weich. Sie werden geschubst oder sie springen, aber nie lassen Sie sich einfach fallen. Man muss kein Mitleid mit dem Söldner haben, kein Verständnis für den Boxer. Der Killer wurde nicht vom Leben schlecht behandelt, der Detektiv nicht vom Schicksal gebeutelt. Die meist beklemmenden aber immer spannenden Storys wirken echt, wie direkt aus dem Leben gegriffen. So oder ganz ähnlich müssen sie passiert sein.
Die Bandbreite der Milieus und deren detaillierte Beschreibungen zeugen vom ungewöhnlichen Erfahrungsschatz des Autors. Walter Wolter war nach abgebrochenem Gymnasium Wanderarbeiter, Holzfäller, Soldat und Journalist.
Walter Wolter: Gefallene Männer.
Haffmans Verlag, 287 Seiten, 36,00 DM.
„Grab des weißen Mannes“
von Richard Dooling
Michael Killigan, ein Freiwilliger des „Peace Corps“ in Sierra Leone, ist spurlos verschwunden. Die Behörden in Washington glauben, er werde von Soldaten gefangengehalten. Die Afrikaner dagegen glauben, dass Michael's Verschwinden mit ganz anderen und viel unheimlicheren Dingen zu tun hat: Der junge Weiße ist wahrscheinlich in eine der gefürchteten Geheimgesellschaften aufgenommen worden und streift jetzt als Tiermensch durch den westafrikanischen Busch. Michael's Vater, ein cholerischer und sehr erfolgreicher Konkursanwalt in Indiana, erhält derweil ein Paket aus Afrika mit grausigem Inhalt, der ihm nachts den Schlaf raubt. Sowohl Michael's Freund Boone als auch Michael's Vater begeben sich – jeder auf seine Weise – auf die Suche nach dem Verschollenen. Beide geraten in der Konfrontation mit einer fremden Kultur schnell an die Grenzen ihres Glaubens. Ohne einer der Lebensweisen – der amerikanischen oder der afrikanischen – den Vorzug zu geben, entführt der Autor den Leser sowohl in die Magie des amerikanischen Konkursrechts als auch in die erschreckend realistische Welt afrikanischer Zauberer. Auch wenn beide Kulturen ihre Schwierigkeiten miteinander haben – der Leser sieht plötzlich, dass sie so verschieden eigentlich nicht sind. Ein spannender und realistischer Abenteuerroman voll köstlichem Witz und schwarzem Humor.
Richard Dooling: Grab des weißen Mannes.
Hanser, 480 Seiten, 45,00 DM.
„Hitler's Helfer“
von Guido Knopp
Wer waren die Männer, die Hitler den Weg zur Macht ebneten und zu den Vollstreckern einer historisch beispiellosen Schreckensherrschaft wurden? Was trieb sie zu Massenmord und Kriegshetze, in Rassenwahn und bedingungslose Gefolgschaft? Diese Frage versucht der promovierte Historiker Guido Knopp in „Hitler's Helfer“ nach über zehnjähriger Recherche zu beantworten. Knopp untersucht, auch anhand erst seit kurzem zugänglicher Dokumente aus englischen und russischen Archiven, die Karrieren so unterschiedlicher Nazi-Größen wie Dönitz, Göring, Goebbels, Himmler, Speer und Heß. Die einzelnen Dokumentationen und Beweisführungen sind spannend zu lesen. Die im Klappentext angekündigten Psychogramme, die die Antwort auf die Frage liefern sollen, wie es zu den Greueltaten der Nazis kommen konnte, lassen allerdings zu wünschen übrig. Hier verfällt der Autor in einen populärwissenschaftlichen Jargon, der überflüssig erscheint. Insgesamt aber ein lesenswertes Buch, das über eine reine Textbegleitung zur gleichnamigen Fernsehserie im „ZDF“ weit hinausgeht.
Guido Knopp: Hitler's Helfer.
Bertelsmann, 350 Seiten, ? DM.
„Infernalische Reise“
von Mark Jenkins
Mit dem Fahrrad quer durch Sibirien
Im Sommer 1989 durchquerten drei Frauen und vier Männer das größte Land der Erde mit dem Fahrrad. Für die 7.000 Meilen von der Ostküste am Japanischen Meer bis nach Lening rad benötigten sie etwas mehr als vier Monate.
Dieses Buch ist kein Ratgeber für Radreisen durch Russland, sondern ein sehr persönlicher Bericht über eine Reise, geprägt von unsäglichen Strapazen, tiefen Eindrücken und den dadurch angeregten Entwicklungen der Teilnehmer. Der Leser findet hier keine Tips zur Reise-Ausrüstung oder zu Visa-Anträgen, sondern eine Unzahl kleiner Geschichten über die Begegnungen mit den Menschen und der Natur Sibiriens. Der Autor schildert die Erlebnisse der Gruppe lebendig und ohne zu kommentieren. Dadurch bringt sein Buch dem Leser das Leben in Russland näher, als ein Bildband oder ein sachlicher Bericht es jemals könnten.
Mark Jenkins, Journalist, begeisterter Bergsteiger und Mountain-Biker, hat vier Kontinente mit dem Fahrrad durchquert.
Mark Jenkins: Infernalische Reise.
Schweizer Verlagshaus, 277 Seiten, 19,90 DM.
„Keine Angst vor Fahrradpannen“
von Hans Bauer
Fahrrad-Reparatur-Handbuch
Ein Reparaturkurs für Anfänger und für Fortgeschrittene: Das Buch widmet sich nicht nur offensichtlichen Schäden am Fahrrad, sondern beschreibt auch wenig bekannte Mängel und deren Behebung und informiert über Wartung, Pflege und ideale Einstellungen. Die Reparatur-Anweisungen befassen sich mit allen denkbaren Fahrradproblemen von der simplen Reifenpanne über Wartung von Bremsen und Schaltung bis hin zu schwierigeren Vorhaben, wie dem Zentrieren der Laufräder oder dem Austausch des Lenkerlagers. Alle erforderlichen Handgriffe sind genau und gutverständlich beschrieben und, wo erforderlich, durch Zeichnungen ergänzt. Eine Check-Liste zum Auffinden von Fehlerquellen und ein Kapitel zur Sitz- und Fahrposition ergänzen das Handbuch.
Hans Bauer ist Pannenkurs-Referent und Tourenleiter beim „ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrradclub)“ und gelernter Zweiradmechaniker.
Hans Bauer: Keine Angst vor Fahrradpannen.
Heyne, 252 Seiten, 16,90 DM.
„Konzepte für den Radverkehr“
von Tilman Bracher
Trotz anhaltender Motorisierung steigen immer mehr Menschen aufs Fahrrad. Umweltschutz, Sportlichkeit oder mobile Alternative – das Rad gewinnt gegenüber dem Auto immer mehr an Image. Dieses Buch wendet sich nicht nur an Radfahrer; es soll Politikern, Verkehrs- und Stadtplanern und den vielen am Radfahren bisher wenig Interessierten zeigen, wie groß die Chancen des Fahrradverkehrs sind, wenn die richtigen „Konzepte für den Radverkehr“ ergriffen werden. Angesichts der mit dem Autoverkehr verbundenen Umwelt- und Unfallprobleme bleibt Fahrrad-Förderung kein Selbstzweck. Das Buch will Mut dazu machen, mehr Rad zu fahren, radfahrgerechter zu planen und sich bei politischen Zielkonflikten im Zweifelsfall für den Radverkehr einzusetzen. Der Autor informiert über den aktuellen Stand der Fahrrad-Politik in allen Parteien, über das Fahrrad im Rechtssystern und natürlich über die Situation auf den Straßen. Fazit: Deutsche Verkehrsplaner sind sich der Bedeutung des Fahrrades als Verkehrsmittel noch viel zu wenig bewusst. Erfolgreiche Modelle aus dem europäischen Ausland belegen, da radgerechte Verkehrsplanung nicht nur möglich, sondern notwendig ist und den Städten Lebensqualität bringt.
Tilman Bracher: Konzepte für den Radverkehr.
BVA, 216 Seiten, 36,00 DM.
„Mountain-Bike-Technik“
von Hermann Seidl
Der immer noch anhaltende Mountain-Bike-Boom hat seine Gründe: positives Image, Umweltverträglichkeit. Produkt mit hohem technischen Standard für Freizeit, Alltag und Sport. Die rasante technologische Entwicklung des Mountain-Bikes hat zwar eine Vielzahl ausgereifter Lösungen gebracht, macht aber die Überschaubarkeit dieser Technologie immer komplizierter. Hier hilft dieser Ratgeber Mountain-Bikern und denen die es werden wollen: Das Buch erklärt die verschiedenen Komponenten des Mountain-Bikes, informiert über alle gängigen Typen und widmet sich speziell der Pflege und Wartung. Das hier verständlich vermittelte Basiswissen ist nicht nur für die Anschaffung eines Bikes sondern auch für dessen Aufrüstung und Inspektion sehr nützlich.
Hermann Seidl: Mountain-Bike-Technik.
BLV, 128 Seiten, 28,00 DM.
„Nahrungsgifte“
von Dieter Martinetz
Das Lexikon für Ihre Gesundheit
Im ersten Teil des Buches behandelt der Autor die allgemeine Problematik von Giften und Vergiftungen beim Menschen. Dabei geht er auffallend gründlich und umfassend an das Thema heran: Nicht nur schädliche chemische Zusätze werden beschrieben, sondern auch Aspekte wie Überdosierung ansonsten unbedenklicher Stoffe, Toxinbildung bei unsachgemäßer Zubereitung und Lagerung, Giftfreisetzung von Verpackungen und gegenseitige Beeinflussung von Arzneimitteln mit bestimmten Nahrungsmitteln. Den Hauptteil des handlichen Nachschlagewerkes bildet eine lexikalische Auflistung aller wichtigen Stichwörter aus der Vielfalt der natürlichen und künstlichen Gifte von Absynth und Adrenalin über Rinderwahn bis zu Zusatzstoffen. Ein umfassend es Stichwortverzeichnis ermöglicht es, auch Stoffe, Nahrungsmittel und Gifte aufzufinden, die unter keinem eigenen Eintrag behandelt werden. Der Leser erfährt alles Wissenswerte über Vitaminverluste durch Bestrahlung, über die tragische Wirkung, die der Zusatz von Anilin bei Olivenöl haben kann, über Gefahren, die in der Verpackung stecken ...
Dieter Martinetz: Nahrungsgifte.
Urania Verlag, 191 Seiten, 29,80 DM.
„Positives Denken macht krank“
von Günter Scheich
Vom Schwindel mlt gefährlichen Erfolgsversprechen
Bücher zum Thema „positiv Denken“ erreichen seit Jahrzehnten die ersten Plätze der Bestseller-Listen. Allein von Joseph Murphy, dem Esoteriker unter den „Denke nach und werde reich“-Propheten, sind über 50 Titel in Deutschland erschienen. Von seinem Buch „Die Macht Ihres Unterbewusstseins“ wurden hierzulande mehr als zwei Millionen Exemplare verkauft. Manche Menschen legen Bücher dieser Art nach der Lektüre der ersten Seiten wieder beiseite, überzeugt davon, da die dort vermittelten Strategien eher lächerlich als hilfreich sind. Manch einer findet tatsächlich funktionierende Erfolgskonzepte viele aber sehen sich mit Problemen ganz neuer Art konfrontiert: Gelingen die Techniken nicht, suchen die überzeugten Anhänger des positiven Denkens die Ursache dafür ausschließlich in sich selbst. Die Folgen reichen von Verunsicherung bis zur Verzweiflung.
Psychotherapeut Günter Scheich, Autor von „Positives Denken macht krank“, will nicht den Wert einer positiven Lebenseinstellung in Abrede stellen. Sein Buch richtet sich aber gegen übertrieben unrealistische Vorstellungen von der Kraft des Denkens. Scheich zeigt vor allem auf, wem – entgegen den Versprechungen von Murphy, Freitag & Co. – allein durch geistige Übungen nicht mehr geholfen werden kann. Scheich liefert einen wichtigen und längst fälligen Diskussionsbeitrag; schließlich kommen die Bücher über positives Denken – so der Autor – vor allem bei Zwangsneurotikern gut an.
Günter Scheich: Positives Denken macht krank.
Eichborn, 210 Seiten, 36,00 DM.
Geändert: 10 / 2020